Dossier Wolfsmonitoring
FAQs zum Wolfsmonitoring in Hessen (10.10.2022): Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.
Aktuelle Informationen: Hier können Sie sich über den Stand der Wolfsnachweise in Hessen, über Verdachtsfälle und über die zuständigen Institutionen informieren
Zuständig ist das Wolfszentrum Hessen (WZH) im Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). Die Aufgabe leitet sich aus den Monitoring-Vorgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) ab. Der Wolf ist dort in den Anhängen II und IV gelistet. Dieses Monitoring gemäß FFH-RL wird beim HLNUG für rund 95 Tier- und Pflanzenarten durchgeführt, eine davon ist der Wolf.
Das Wolfszentrum Hessen (WZH) sammelt alle Daten zu Wolfsmeldungen in Hessen und kategorisiert diese in drei Kategorie-Stufen C1, C2, C3 nach den sogenannten SCALP-Kriterien (Status and Conservation of the Alpine Lynx Population), übertragen von den Schweizer Einstufungen der alpinen Luchs-Population. Dabei sind C1-Nachweise, sichere Nachweise mittels Genetik oder eindeutigen Fotos, C2 sind von Fachleuten bestätigte Hinweise und C3 sind alle Meldungen, insbesondere Sichtbeobachtungen ohne Foto, die sich nicht verifizieren lassen.
Fraßspuren an Kadavern werden gemessen, fotografiert und dokumentiert. Zusätzlich werden DNA-Proben genommen. Hierfür gibt es ein organisiertes Betreuernetz geschulter, ehrenamtlicher Personen zum Wolfsmonitoring in Hessen. Es gehört einige Erfahrung dazu, diese Spuren einem Beutegreifer zuzuordnen. Wenn die genetischen Proben an einem Riss nicht auswertbar sind, können eindeutige Fraßspuren in Verbindung mit anderen pathologischen Untersuchungen, die im Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) vorgenommen werden, wichtige Aufschlüsse geben.
Tote Nutztiere, die dem Wolf möglicherweise zuzuordnen sind, können – auf Wunsch des Halters/der Halterin – im Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) pathologisch untersucht werden. Sind am Kadaver noch Organe, wie z. B. die Lunge, vorhanden, kann dort festgestellt werden, ob das Tier lebensfähig war oder ggf. als Totgeburt zur Welt kam. Ebenso werden im LHL Untersuchungen auf Bakterienbefall/Entzündungen von Gehirn oder anderen Organen durchgeführt, um die prämortale Vitalität des toten Tieres zu ermitteln. Auch werden Fraßspuren/Bissstellen vermessen und dazu eine weitere Expertise abgegeben.
Fotos und Filme können bei einer gewissen Qualität und nach genauer fachlicher Prüfung als Nachweise der Kategorie C1 gewertet werden. Das sogenannte Fotofallen-Monitoring mittels Wildkameras ist heute eine der Schwerpunktmethoden in der modernen Wildtiererfassung.
Wölfe können an getöteten oder befressenen Beutetieren Speichel hinterlassen („Rissabstrich“), aber auch Kot (Losung) oder Urin und Blut sowie Haare sind für Analysen im Fachgebiet Naturschutzgenetik des Senckenberg-Forschungsinstituts am Standort Gelnhausen geeignet. Am sichersten kann der DNA-Nachweis natürlich an Hand von Körpergewebe des Wolfs geführt werden. Dies tritt ein, wenn ein toter Wolf geborgen wird und ein kleines Gewebestück zur Analyse geleitet wird.
An getöteten Beutetieren sollten aber keine Gewebeproben, sondern Rissabstriche genommen werden. Der Speichel des Rissverursachers bzw. des Fleischfressers ist oberflächlich auf dem Kadaver zu erwarten.
Bisher gab es in Hessen ein ehrenamtliches Netzwerk an Wolfsberaterinnen und Wolfsberatern zur Probenahme und zum Dokumentieren von Wolfshinweisen. Seit dem 1. Oktober 2022 sind zusätzlich zu den ehrenamtlichen auch hauptamtliche Wolfsberaterinnen und Wolfsberater von HessenForst im Einsatz. Alle Beraterinnen und Berater müssen praktische und theoretische Schulungen durchlaufen und eine Prüfung absolvieren. Die Schulung der Beraterinnen und Berater liegt im Verantwortungsbereich des WZH.
Die Proben sollten möglichst frisch sein, was bedeutet, dass vermeintliche Riss-Vorfälle umgehend zu melden sind. Liegen die Kadaver schon einen Tag oder länger, kann die DNA durch Umwelteinflüsse unbrauchbar oder entfernt worden sein. Ein weiteres Problem ist die „Überdeckung“ der „Rissverursacher-DNA“ durch sogenannte Nachnutzer. Denn wenn ein Kadaver länger im Freien liegt, zieht er auch andere Aasfresser wie Füchse an. Dies kann in Einzelfällen die Auswertung genetischer Analysen erschweren. Nachnutzer können DNA-Spuren vom Rissverursacher durch das Befressen des Kadavers auch gänzlich entfernen.
Die Proben werden im Fachgebiet Naturschutzgenetik des Senckenberg-Forschungsinstituts am Standort Gelnhausen, dem Deutschen Referenzzentrum für Wolfsgenetik, untersucht, wo seit der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland über 8.000 Wolfsproben analysiert wurden. Deshalb gibt es dort auch die Möglichkeit, die Proben untereinander abzugleichen und Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Tieren und Rudelzugehörigkeiten zu erkennen.
Bei allen eingeschickten Proben mit Wolfsverdacht wird zunächst versucht die Art „Wolf“ zu indentifizieren. Hierfür wird keine DNA aus dem Zellkern verwendet, sondern die DNA der Mitochondrien, die mtDNA. Dieses Verfahren ermöglicht auch bei Proben mit sehr geringem DNA-Gehalt eine Bestimmung der Art und gibt Hinweise auf die Populationszuordnung. Rissabstriche werden mit einem Canis-spezifischen Marker untersucht (spezifisch für Wolf, Hund, Goldschakal), um eine Beeinträchtigung der Analyse durch DNA von Beutetier und Nachnutzern zu verhindern.
Wenn als Art „Wolf“ identifiziert werden konnte, werden weitere Analyseschritte mit dem Versuch der Individualisierung des Tieres unternommen.
Mitochondrien sind Zellorganellen, die maßgeblich für den Stoffwechsel der Zelle sind. Der Vorteil der Verwendung von mtDNA ist, dass stoffwechselaktive Zellen bis zu 2000 Mitochondrien enthalten können und dadurch mehr mtDNA in Zellen vorhanden ist als Kern-DNA. Der Nachteil ist, dass über die mtDNA ausschließlich die mütterliche Linie verfolgt werden kann.
Nachdem die Art der mütterlichen Linie und der Haplotyp (genetische „Verwandtschaftsgruppe“) durch die ersten Analyseschritte ermittelt wurden, werden bei ausreichender Probenqualität Individuum, Geschlecht und die Herkunft bzw. Rudelzugehörigkeit des Wolfs bestimmt. Dies geschieht über die DNA im Zellkern mittels sogenannter Mikrosatellitenanalyse. Mit dieser Methode wird auch die Artbestimmung der mütterlichen Linie (mtDNA Haplotyp) bestätigt, auch können Hybridisierungsereignisse der ersten Generation nachgewiesen werden.
Mikrosatelliten sind genetische Marker aus charakteristischen kurzen (nichtcodierenden) Abschnitten im Genom eines Individuums, die aus sich wiederholenden Basenpaaren bestehen. Diese Abschnitte sind artspezifisch und werden daher zur Individualisierung/Genotypisierung verwendet.
Als Haplotypen bezeichnet man die Varianten einer DNA-Sequenz, welche in weiten Teilen identisch sind, sich aber in einigen Positionen unterscheiden und dabei charakteristisch für Arten und Populationen sind. Daher sind sie zur Artbestimmung einer Probe ebenso geeignet wie für eine Einordung der Herkunftspopulation.
Da die Wölfe der mitteleuropäischen Flachlandpopulation (MEFP) eng miteinander verwandt sind, haben die meisten Tiere dieser Population denselben Haplotyp. Für Deutschland ist der häufigste Haplotyp HW01 (>90%), aber auch HW02 kommt in einigen Rudeln vor. Selten werden über zuwandernde Wölfe weitere Haplotypen, z. B. aus Südost-Polen (HW03) oder aus der Alpenpopulation (HW22) in Deutschland nachgewiesen.
Voraussetzung für eine Individualisierung ist eine ausreichende Probenqualität, die nicht immer gegeben ist.
Ein Wolfs-Individuum muss mindestens über ein halbes Jahr (6 Monate) in einem Gebiet genetisch nachgewiesen werden, dann gilt es als territorial.
Ein Rudel ist vorhanden, sobald Reproduktion eines Paares in einem Territorium stattgefunden hat. Dies wird i. d. R. mittels Genetik oder mittels Fotofallen ermittelt.