Wiesbaden, 08.09.2023 – Seit einer Woche ist, zumindest meteorologisch, Herbst in Hessen – Zeit für das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG), Bilanz zu ziehen: Der Sommer 2023 war, und das kam uns nicht nur so vor, durchwachsen: Auf ein relativ feuchtes Frühjahr folgte ein warmer Frühsommer. Der Juni und die ersten drei Juli-Wochen waren sehr heiß und viel zu trocken. Mit dem Beginn der hessischen Sommerferien setzte dann Mitte Juli zum Ärger vieler Schulkinder und Urlauber eine Periode mit sehr nassem und kühlem Wetter ein. Erst Mitte August kehrte der Sommer noch einmal zurück und brachte dann punktuell auch heftigen Starkregen.
„Der Sommer 2023 hat uns beides geboten,“ sagt HLNUG-Präsident Prof. Dr. Thomas Schmid, „sowohl einen Blick zurück als auch einen Vorgeschmack auf das, was uns mit zunehmendem Klimawandel erwartet: Früher waren die Sommer bei uns in Deutschland und auch in Hessen häufig durchwachsen und verregnet – bloß ist uns dies nach den vergangenen Trockenjahren nicht mehr so präsent. Mit fortschreitendem Klimawandel müssen wir uns darauf einstellen, dass die Sommer in Hessen immer heißer und trockener werden, Hitzewellen und Dürre werden dann normal, Regenperioden die Ausnahme sein. Auch wenn der viele Regen einigen aufs Gemüt geschlagen ist: Wir können von Glück reden, dass es ihn gab, denn er hat unserer Natur, den Wäldern und Gewässern sehr geholfen.“
Die Temperatur lag in den Sommermonaten über dem langjährigen Mittel, vor allem im Juni und Juli herrschte zeitweise extreme Hitze in Hessen. Die mittlere Temperatur von Juni bis August betrug 18,5 °C. Verglichen mit der international verwendeten Referenzperiode 1961-1990 war es 2,3 Grad wärmer (langjähriger Mittelwert 16,2 °C). Besonders heiß war es im Juni mit 18,9 °C im Mittel, 3,7 Grad über dem langjährigen Mittelwert von 15,2 °C. Im Rhein-Main-Gebiet wurde im Juli an 20 Tagen die Sommermarke von 25 °C überschritten. Im letzten Monatsdrittel kühlte sich die Luft etwas ab und eine unbeständige Wetterlage mit vielen Schauern und Gewittern löste die Hitzeperiode ab. Auch Anfang August blieb es vorerst zu kühl fürs Freibad. Erst Mitte August hielt der Sommer wieder Einzug in Hessen, und es wurde wieder heiß. Gegen Ende des Monats blieben die Temperaturen dann wieder unter dem langjährigen Mittel. Insgesamt lag die mittlere Temperatur für August mit 18,0 °C etwas über dem mittleren Monatswert von 16,4 °C.
Niederschlag blieb zu Beginn des Sommers zunächst aus: Insgesamt fielen im Mittel im Juni über ganz Hessen etwas mehr als 37 l/m² Regen, das sind 53 Prozent weniger als im Mittel der Referenzperiode 1961-1990. Hier sticht allerdings der 22. Juni heraus: An diesem Tag entluden sich heftige Gewitter über Hessen. Besonders betroffen war der Raum Kassel, wo eine Superzelle für zahlreiche Überflutungen und Hagelschäden sorgte. Davon abgesehen war der Juni 2023 viel zu trocken.
Auch im Juli ging es zunächst trocken weiter, erst in der letzten Juli-Woche setzte dann anhaltendes Regenwetter ein. Insgesamt betrug der Gebietsniederschlag in Hessen im Juli etwas mehr als 95 l/m² und lag damit 30 Prozent über dem langjährigen Monatsmittel (1961-1990).
Sehr hohe Niederschlagsmengen gab es im August. Mit 130 l/m² fielen 87 Prozent mehr als im Mittel (1961-1990). Am 16. August kam es zu Unwettern, betroffen war vor allem das Rhein-Main-Gebiet: In Frankfurt fluteten die Wassermassen die U-Bahn-Station am Südbahnhof. Aber auch in anderen Regionen kam es zu erheblichen Niederschlägen, so wurden an der Station Lollar 44 l/m² in einer Stunde registriert, insgesamt fielen hier 58 l/m² in drei Stunden.
Von Januar bis August fielen im Mittel über ganz Hessen insgesamt 606,4 l/m² Niederschlag. 37 Prozent davon entfielen auf Juli und August. Im Vergleich zum langjährigen Mittel der Referenzperiode 1961-1990 von 528,5 l/m² fielen 77,9 l/m² (15 Prozent) mehr. Der Sommer 2023 war also nicht nur gefühlt zu nass, sondern auch insgesamt feuchter als im langjährigen Mittel.
Situation Oberflächengewässer
Aufgrund der größtenteils ausbleibenden Niederschläge in den ersten Wochen sanken die Wasserstände und Durchflüsse in den Monaten Juni und Juli. An ca. 40 Pegeln trat über einen längeren Zeitraum Niedrigwasser auf, zwei Pegel fielen zeitweise trocken.
Die Niederschläge im letzten Monatsdrittel des Julis und im August führten wieder zum Ansteigen der Wasserstände und Durchflüsse. Im August waren die Oberflächengewässer gut gefüllt, die Durchflüsse lagen im Bereich der mittleren Wassermenge oder darüber. Im Mittel führten die Gewässer 94 Prozent mehr Wasser als im langjährigen monatlichen Mittel, also fast doppelt so viel wie im Durchschnitt. Aktuell fallen die Wasserstände leicht und einige wenige Gewässer führen wieder Niedrigwasser, insgesamt jedoch liegen bei 90 Prozent der Gewässer mittlere Durchflüsse vor.
Die Gewitter am 16. August brachten gebietsweise heftigen Regen mit vereinzelten Niederschlagssummen bis 60 l/m². Dadurch kam es in der Nacht vom 16. auf den 17. August an mehr als 15 Pegeln zu steigenden Wasserständen mit Meldestufenüberschreitungen. Auch im weiteren Monatsverlauf wurden infolge lokal ergiebiger Regenfälle vereinzelt kurzzeitig Meldestufenwerte in den Gewässern überschritten.
Situation Talsperren
Ab Juni wurde Wasser aus der Eder- und der Diemeltalsperre abgelassen, um die Oberweser zu stützen. Ab Anfang August wurden beide Talsperren wieder eingestaut. Aus der Diemeltalsperre wird inzwischen wieder etwas Wasser abgegeben. Insgesamt lagen die Füllmengen in beiden Talsperren in den Monaten Juni, Juli und August über den langjährigen monatlichen Füllmengen. Lediglich in der Edertalsperre wurde dieser Wert in der zweiten Monatshälfte unterschritten.
Situation Grundwasser
Als Folge der von Mitte Mai bis Ende der zweiten Juli-Dekade andauernden Trockenheit haben sich die Grundwasserverhältnisse im Juni und in den ersten beiden Juli-Dekaden verbreitet rückläufig entwickelt. Die ergiebigen Niederschläge im letzten Monatsdrittel haben Ende Juli in gewässernahen und schnell reagierenden Messstellen zu steigenden Grundwasserständen geführt. Durch die sehr ergiebigen Niederschläge im August haben sich die Grundwasserstände im Verlauf des letzten Sommermonats vielerorts weiter erholt und lagen am Monatsende an 90 Prozent der Messstellen auf einem höheren Niveau als am Ende des sehr trockenen Sommers 2022. Somit stellt sich die Grundwassersituation im Vergleich zum Vorjahr deutlich günstiger dar.
Auch wenn die Grundwasserstände vielerorts vom vielen Regen profitiert haben, ist das Defizit aus den vergangenen Trockenjahren noch nicht ausgeglichen. Um dieses Defizit im Grundwasser auszugleichen, sind ergiebige Niederschläge über einen deutlich längeren Zeitraum von Nöten. Mit einer nachhaltigen und flächendeckenden Regenerierung im Grundwasser ist erst wieder im hydrologischen Winterhalbjahr 2023/24 (November bis April) zu rechnen. In dieser Zeit findet üblicherweise die Grundwasserneubildung statt. Daher ist für das Grundwasser ein feuchter Winter wichtiger als ein feuchter Sommer.
Situation Böden
Die zu hohen Temperaturen bei gleichzeitig geringen Niederschlägen ließen die Oberböden zu Beginn des Sommers in Hessen flächendeckend austrocknen. Dies führte allgemein zu Trockenstress, der bis Ende Juli anhielt und dabei auch Bodentiefen bis etwa 50 cm erreichte. Besonders ausgeprägt war diese Situation in den südlichen Landesteilen wie z. B. im hessischen Ried und der Mainebene. Die darauffolgenden ergiebigen Niederschläge und niedrigeren Temperaturen sorgten durchweg für Entspannung, so dass am Ende des Sommers die Böden Hessens in allen Tiefenbereichen ausreichend mit Wasser versorgt waren.
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