Wiesbaden/Frankfurt, 15.12.2025 –Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) hat den gemeinsamen Luchsbericht mit dem Arbeitskreis (AK) Hessenluchs veröffentlicht. Erneut konnten Luchse in Nordhessen nachgewiesen werden. Auch in diesem Jahr hat es in Hessen wieder Luchsnachwuchs gegeben. Im Reinhardswald sind zwei junge Luchse unterwegs. Darüber hinaus wurden insgesamt neun selbständige, also mindestens einjährige, Luchse eindeutig identifiziert. Das Hauptstreifgebiet der meisten Tiere lag – wie bereits im Vorjahr – in Niedersachsen, mindestens zwei haben sich jedoch dauerhaft in Hessen niedergelassen. Luchse galten in Hessen 150 Jahre lang als ausgerottet, erst seit 15 Jahren sind einzelne Tiere wieder bei uns sesshaft geworden.
Umweltstaatssekretär Michael Ruhl sagte dazu: „Die Rückkehr des Luchses ist ein Langzeitprojekt, der erneute Nachweis in Hessen ein Erfolg für den Naturschutz, der nur durch Verbesserungen der Biotopstruktur möglich wurde. Ich danke allen Beteiligten für Ihre Arbeit am Luchsbericht, der wertvolle Erkenntnisse liefert.“
Nachweise ausschließlich aus Nord- und Nordosthessen
Von den insgesamt 118 ausgewerteten Luchsbeobachtungen und Meldungen, konnten 102 als sichere Nachweise bestätigt werden. Der weit überwiegende Anteil dieser Nachweise geht auf das Fotofallen-Monitoring des HLNUG zurück, welches im vergangenen Jahr systematisch erweitert wurde. Mittlerweile sind hierfür rund 30 Kamerafallen an 20 Standorten im Einsatz. Ergänzt wird das systematische Monitoring durch die Zufallshinweise, die beim AK Hessenluchs gemeldet werden.
Die meisten der gesicherten Nachweise (Nachweise der Kategorie C1) stammen aus Nord- und Nordosthessen, was vor allem auf die räumliche Nähe zum Harzer Luchsvorkommen auf niedersächsischer Seite zurückzuführen ist. Im Harz startete bereits im Jahr 2000 ein Wiederansiedlungsprojekt der größten europäischen Katze, sodass sich die Art dort mittlerweile wieder etablieren konnte und sich von dort aus, wenn auch sehr langsam, ausbreitet. Um diese Ausbreitung zu verfolgen, startete im Frühjahr 2024 der Nationalpark Harz in Kooperation mit der Universität Göttingen und dem HLNUG ein grenzüberschreitendes Luchsprojekt, welches durch das seit Oktober 2024 fortgesetzte Monitoring des HLNUG bis heute andauert.
Reinhardswald: Erneut Luchsmutter mit Jungtieren fotografiert
Wie bereits in den Jahren zuvor konnte eine Luchsmutter mit Jungtieren mehrfach im Reinhardswald (Landkreis Kassel) fotografiert werden. „Da der erste Nachweis dieses Weibchens mit Jungtieren im September 2024 in Hessen gelang, wird diese Reproduktion gemäß den Bundesmonitoring-Standards für Hessen gewertet. Die wiederholten Nachweise von Jungtieren im nordhessischen Monitoringgebiet des HLNUG als auch eine gewisse Fluktuation weiterer Luchsindividuen dort, lassen hoffen, dass sich in Nordhessen wieder eine kleine Teilpopulation der „Harzluchse“ etabliert“, erklärt HLNUG-Präsident Prof. Dr. Schmid.
Ausbreitungstendenzen über das Kerngebiet hinaus
Bemerkenswert ist, dass aktuelle Nachweise nicht auf das Kerngebiet im Norden Hessens beschränkt sind: Auch weiter südöstlich konnten Luchse über Fotofallen oder Zufallssichtungen dokumentiert werden. Diese Funde deuten darauf hin, dass einzelne Tiere größere Distanzen zurücklegen und sich die Art möglicherweise schrittweise nach Süden und Osten ausbreitet. „Vor dem Hintergrund des im letzten Jahr gestarteten Luchs-Wiederansiedlungsprojekts in Thüringen, aus dem Zuwanderungen aus östlicher Richtung zu erwarten sind, könnte sich so möglicherweise eine Vernetzung der Populationen Harz und Thüringen über Hessen entwickeln“, erklärt Josephin Bruhn, Naturschutzreferentin des hessischen Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Hessen) und Mitautorin des Luchsberichtes. Geduld ist jedoch gefragt: „Luchsweibchen lassen sich nur in der Nähe anderer Luchse zur Fortpflanzung nieder, sodass sich die Populationen nur langsam ausbreiten“, betont Josephin Bruhn.
Die langsame Ausbreitung und die noch sehr geringe Individuenzahl machen das Vorkommen der Art in Hessen weiterhin sehr anfällig für Verkehrsunfälle oder Krankheiten.
Hintergrund
1833 soll im Odenwald der letzte hessische Luchs erlegt worden sein, danach war die Art hierzulande ausgerottet. 2011 wurde mit Fotofallen des BUND Hessen im Forstamt Melsungen erstmals wieder Reproduktion nachgewiesen. Durch die in den Jahren danach im Auftrag des HLNUG betreuten umfangreichen Fotofallenprojekte gelang die gute Dokumentation der Reproduktion der Luchse zwischen 2010 und 2015. 2016 konnte keine Reproduktion mehr festgestellt werden, da einige Tiere der Räude, eine durch Milben verursachte Hautkrankheit, zum Opfer fielen. Seit 2014 führt das HLNUG ein eigenes Fotofallenmonitoring zum Luchs durch, teilweise auch in Kooperation mit der Universität Göttingen und dem Nationalpark Harz.
Das HLNUG ist die zuständige Institution in Hessen für die Erfassung und das Monitoring von Arten, die der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) unterliegen. Hierzu zählt auch der Luchs, ebenso wie über 130 weitere in Hessen vorkommende streng geschützte Arten. Die in den Ländern nach festgelegten Monitoring-Standards erfassten Arten werden auf Bundesebene zusammengeführt und alle sechs Jahre der EU-Kommission gemeldet.
Der AK Hessenluchs konstituierte sich im Mai 2004 auf Initiative des Ökologischen Jagdvereins Hessen (ÖJV) und des BUND Hessen. Weitere tragende Organisationen sind die Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft Hessen (ANW), der Bund Deutscher Forstleute (BDF), die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON), der Naturschutzbund Hessen (NABU) und die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Hessen (SDW) sowie der Landesbetrieb HessenForst. Seit 2007 erstellt der Arbeitskreis Hessenluchs jährlich den Luchsbericht im Auftrag des Landes Hessen; der aktuelle Bericht entstand erstmalig in Zusammenarbeit mit dem HLNUG.
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