Vogelmonitoring in Hessen
Zu den wichtigsten Beobachtungsprogrammen in Hessen gehören das Monitoring der häufigen und seltenen Brutvogelarten, das Monitoring in den EU-Vogelschutzgebieten (SPA-Monitoring , SPA: special protection area) und das Monitoring rastender Wasservögel. Ziel dieser landesweit laufenden Programme ist es, fundierte Aussagen zur Bestandsgröße und Entwicklung der hessischen Vogelwelt treffen zu können, insbesondere in den EU-Vogelschutzgebieten. Die Vogelschutzwarte arbeitet im Rahmen aller Programme intensiv sowohl mit amtlichen als auch mit ehrenamtlichen Vogelkundlern zusammen. So wird beispielsweise das Monitoring häufiger Brutvögel (MhB) in Kooperation mit der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. (HGON) und dem Dachverband Deutscher Avifaunisten e.V. (DDA) durchgeführt. Die Daten werden hierbei von ehrenamtlichen Ornithologen und Ornithologinnen mit sehr guter Artenkenntnis erhoben.
Die Daten aus den Monitoringprogrammen ermöglichen es, Aussagen über die Trends und den Erhaltungszustand vieler hessischer Brut- und Zugvogelarten zu treffen, die nicht zuletzt die Grundlage zur Aktualisierung der Roten Liste und zur Erfüllung der EU-Berichtspflicht gemäß EG-Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) bilden. Vogelarten und ihre Bestandsentwicklungen werden darüber hinaus auch als Indikatoren für die Artenvielfalt in ihrem jeweiligen Lebensraumtyp herangezogen. So spielen die Bestandsentwicklungen von Rebhuhn (Perdix perdix), Feldlerche (Alauda arvensis) & Co eine entscheidende Rolle für die Berechnung des bundesweiten Nachhaltigkeitsindikators „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ für den Teilbereich „Agrarland“, in dem sie die Güte des Lebensraums „Feldflur“ in Hessen wiederspiegeln sollen.
In Hessen gibt es insgesamt 154 der einen Quadratkilometer großen MhB-Probeflächen, von denen aktuell 105 bearbeitet werden (Stand: Dezember 2022). Die Probeflächen wurden ursprünglich vom Statistischen Bundesamt gezogen und sollen sechs Lebensraumtypen der Landschaft repräsentieren (Wald, Grünland, Ackerland, Siedlung, Sonderbiotope und Sonderkulturen, Südbeck et al. 2005). Mit den entlang einer festen Kartierstrecke erhobenen Daten kann die Bestandsentwicklung häufiger Vogelarten in den jeweiligen Landschafts- und Lebensräumen berechnet werden.
Über das Monitoring seltener Brutvögel (MsB) wird das Artspektrum abgedeckt, das über das MhB nicht ausreichend erfasst werden kann. Diese Vogelarten sind zu selten oder regional verbreitet, um über die zufällig verteilten Probeflächen des MhB erfasst zu werden. Für eine ausreichende Datensammlung wird eine ganze Reihe unterschiedlicher Erfassungsmethoden eingesetzt. Aufgrund der besonderen Anforderungen an das MsB werden die Kartierungen meist durch erfahrene Expertinnen und Experten und in Form einer Beauftragung durch die Vogelschutzwarte ausgeführt - so auch im MsB "Wanderfalke". In den letzten Jahren, seit 2017, sind jedoch auch einfachere, bundesweit einheitliche Erfassungsmodule für die MsB-Arten entwickelt worden, bei denen sich auch Neulinge in der Vogelbeobachtung (MsB-Modul „Wendehals“) oder fortgeschrittenen Vogelkundlerinnen und -kundler (MsB-Modul „Binnengewässer“) beteiligen können. Diese beschränken sich meist auf wenige Arten oder Lebensräume. Ziel des MsB ist die kontinuierliche Überwachung der Bestandsentwicklungen seltener Brutvogelarten in Hessen, um negative Veränderungen frühzeitig identifizieren und, wenn möglich, gegensteuernde Maßnahmen ergreifen zu können.
Weiterführende Informationen finden Sie in unserer separaten Rubrik: Natura2000 - Vogelschutzrichtlinie Monitoring
Ein Großteil der in Hessen beobachteten wandernden Wasservogelarten stattet Deutschland nur eine Stippvisite auf dem Weg in den Süden oder zurück in ihre Brutgebiete ab. Um die Bedeutung der hessischen Gewässer und Feuchtgebiete für die wandernden und dabei hier rastenden Wasservögel ermitteln zu können, werden jedes Jahr in den Herbst- bis Frühjahrsmonaten die Bestände dieser Zug- und Wintergäste im Rahmen des Monitorings rastender Wasservögel (MrW) erfasst. Bundesweit wird dieses, auch als „Wasservogelzählung“ bezeichnete, Monitoring Mitte jeden Monats von September bis April an ausgewählten Rastgewässern durchgeführt. Dabei können Bestandsmaxima im Herbst und Frühjahr beobachtet werden, die stark witterungsabhängig und häufig artspezifisch sind. In Hessen werden die Zählungen bereits seit dem Winter 1965 durchgeführt. Die Anzahl der Zählgebiete stieg dabei von ursprünglich 11 auf 30 im Winter 1985. Die 30 auch heute noch gültigen Zählgebiete sind inzwischen in z.T. zahlreiche Teilgebiete untergliedert, um eine orts- bzw. gewässerspezifische Auswertung zu ermöglichen.
Diese regelmäßigen Zählungen helfen dabei die Gesamtbestände der wandernden Wasservogelarten jährlich zu schätzen und so die Entwicklung dieser Rastbestände zu überwachen. Auch zur allgemeinen Verbreitung und zum jahreszeitliche Auftreten können Aussagen getroffen sowie Veränderungen beobachtet und dargestellt werden. Die Informationen ermöglichen es einerseits neue Erkenntnisse zu den Arten und ihrem Verhalten zu ermitteln, andererseits können darüber die bedeutendsten Rastgebiete identifiziert und somit gezielte Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen eingeleitet werden.
Auch im internationalen Kontext spielen die im Rahmen des MrW erhobenen Daten eine Rolle. Über den DDA werden die im Januar erfassten deutschlandweiten Bestände an Wetlands International übermittelt und auf internationaler Ebene analysiert. Sie tragen somit auch zum internationalen Schutz von Wasservogelpopulationen und ihrer Lebensräume bei.
Deutschland und Hessen haben sich zum Artenschutz verpflichtet. Diesem Ziel dienen die nationale wie die hessische Biodiversitätsstrategie. Die biologische Vielfalt ist auch neues Schwerpunktthema der Nachhaltigkeitsstrategie Hessen.
Der Indikator für die Artenvielfalt stellt die Bestandsentwicklung von repräsentativen Vogelarten nach Landschafts- und Lebensraumtypen dar. Damit stellt dieser einen wissenschaftlich abgesicherten Anzeiger aus dem Spektrum der Biodiversität dar und gibt Auskunft über die Auswirkungen der Landnutzung auf die Landschaftsqualität und Artenvielfalt der heimischen Tier- und Pflanzenwelt. Die ausgewählten Arten reagieren sensibel auf Veränderungen der Flächennutzungen und lassen deshalb Aussagen zur Nachhaltigkeit der Nutzung zu.
Die Daten werden von der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. (HGON) und der Staatlichen Vogelschutzwarte gemeinsam erhoben, ausgewertet und jährlich fortgeschrieben. Die Trendberechnungen erfolgen durch den Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) im Auftrag der Staatlichen Vogelschutzwarte.
In Hessen gehen die Bestandsentwicklungen von 36 für die verschiedenen Lebensraumtypen repräsentativen Vogelarten in den Indikator ein. Die hessischen Daten gehen auch in die Berechnung des Bundesindikators ein.
Die Bestandsentwicklungen folgender Vogelarten gehen in Hessen in die Berechnung der Indikatoren ein
- Agrarland: Braunkehlchen, Bekassine, Feldlerche, Goldammer, Kiebitz, Neuntöter, Rebhuhn, Rotmilan, Steinkauz
- Wälder: Grauspecht, Hohltaube, Kleiber, Mittelspecht, Schwarzspecht, Schwarzstorch, Sumpfmeise, Waldlaubsänger, Weidenmeise
- Siedlungen: Dohle, Gartenrotschwanz, Girlitz, Hausrotschwanz, Haussperling, Mauersegler, Mehlschwalbe, Rauchschwalbe, Türkentaube
- Binnengewässer: Eisvogel, Haubentaucher, Knäkente, Rohrammer, Teichrohrsänger, Wasseramsel, Wasserralle, Zwergtaucher
Eine ausführliche Beschreibung des Nachhaltigkeitsindikators für die Artenvielfalt als auch die Entwicklung des Indikators (auch für die Teil-Indikatoren Agrarland, Wälder, Binnengewässer, Siedlungen) können Sie dem jeweils aktuellen Fortschrittsbericht der Landesregierung entnehmen:
EG-Richtlinie 2009/147/EG vom 30.11.2009, S. L 20/7.
EU-Verordnung 2019/1010/EU vom 5. Juni 2019, S. L 170/115.
Südbeck, P., Andretzke, H., Fischer, S., Gedeon, K., Schikore, T., Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. – 792 S.; Radolfzell.
Sudfeldt, C., Dröschmeister, R. Wahl, J., Berlin, K., Gottschalk, T., Grüneberg, C., Mitschke, A. & Trautmann, S. (2012): Vogelmonitoring in Deutschland – Programme und Anwendungen. – Nat.schutz Biol. Vielfalt,119; Münster.