Lehrgarten der Lebensräume
Wir laden ein zum Entdecken der Pflanzenvielfalt!
Der Lehrgarten der Lebensräume befindet sich am Schloss Eichhof in Bad Hersfeld und ist frei zugänglich. Er wurde ursprünglich als pflanzensoziologischer Grünland-Lehrgarten angelegt und mehrfach erweitert. Heute ergänzt er als lebendes Anschauungsobjekt die Aufgabengebiete der Abteilung Naturschutz des HLNUG rund um das Schutzgebietsnetz Natura 2000, Lebensräume und Biotopkartierungen. Alle etwa 450 in Hessen wild wachsenden Pflanzenarten sind mit einem Namensschild versehen.
Ein Besuch lohnt sich zu verschiedenen Zeitpunkten der Vegetationsperiode: Die Waldbeete sind schon Ende April sehr attraktiv, im Mai und Juni blühen die meisten Gräser und Kräuter der Magerrasen und Wiesen. Die hochwüchsigen Stauden der Feuchtwiesen und -brachen sind dann im Hochsommer voll entwickelt. Mit der Präsentation "Willkommen im Lehrgarten" können Sie den Lehrgarten auch auf einem virtuellen Rundgang entdecken.
Direkt nebenan finden Sie den Arzneipflanzengarten des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen (LLH) sowie Schaubeete mit Pflanzenarten, die als nachwachsende Rohstoffe, z. B. zur Energiegewinnung, angebaut werden.
Zu sehen sind neben Pflanzen der Wiesen und Weiden wie der Glatthaferwiesen oder des intensiv genutzten Grünlandes auch die Arten seltenerer Lebensraumtypen: Artenreiche Borstgrasrasen, Zwergstrauchheiden und Salzwiesen im Binnenland. Sehr bunt und vielfältig sind auch die Kalk-Trockenrasen, verschiedene Fels-Lebensraumtypen, die Saumgesellschaften entlang von Wald- und Wegrändern sowie die Krautschicht von Buchen-, Schlucht- und Auenwäldern.
Mit wenigen Schritten gelangt man von den südhessischen Lebensraumtypen der Sand- und Steppenrasen auf Binnendünen zu den Berg-Mähwiesen der Rhön oder des Vogelsbergs. Auf Beete, die die typischen Arten von Biotoptypen wie Sumpfdotterblumenwiesen oder Feuchte Hochstaudenfluren zeigen, folgen die „Neubürger der Pflanzenwelt“, die sogenannten Neophyten. Ab dem Frühjahr 2022 werden typische Pflanzen der sogenannten Schlagfluren, die sich auf ehemals mit Wald bewachsenen Flächen ansiedeln, auf einem neuen Beet gezeigt.
Der Lehrgarten beherbergt über 50 verschiedene heimische Arten der Familie der Süßgräser. Etwa 20 % des Pflanzenbestands sind in Hessen gefährdete oder zurückgehende Arten, die entsprechend markiert sind. Es gibt Hinweise auf giftige Pflanzen, die „Blumen des Jahres“ sind mit Erläuterungen versehen.
Im Lehrgarten der Lebensräume finden Schulungen und Fortbildungen zu Natura 2000-Themen für beruflich im Naturschutz und in der Land- und Forstwirtschaft tätige Personen statt, meist mit anschließender Exkursion in die Umgebung, wie zum Beispiel bei einer Veranstaltung am 25. und 26. Mai 2023 zum Thema Waldwiesen.
Auch in der Saison 2023 werden öffentliche Führungen für interessierte Laien angeboten, es gibt wieder gemeinsame Termine mit dem Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (Thema "Heilpflanze oder Giftkraut?"), bei denen der angrenzende Arzneipflanzengarten einbezogen wird. Im Juni wird zum 2. Mal ein Cyanotypie-Workshop "Kunst und Pflanzen" in Zusammenarbeit mit einer Künstlerin aus Bad Hersfeld stattfinden, dieses Jahr mit dem Schwerpunkt "Gräser".
Gruppen haben die Möglichkeit, gesonderte Besichtigungstermine mit Rundgängen zu verschiedenen Schwerpunkten zu vereinbaren. Es können auch Naturerlebnis-Veranstaltungen für Kindergruppen und Schulklassen gebucht werden. Denn nur was man kennt und möglichst mit allen Sinnen erlebt hat, kann man auch schätzen und schützen!
Etwa 25 verschiedene „Blumen des Jahres“ wachsen im Lehrgarten am Eichhof und sind mit kleinen Info-Tafeln kenntlich gemacht. Seit 1980 wird die jeweilige Blume des Jahres von der Loki Schmidt Stiftung in Hamburg ernannt. Damit soll auf die Notwendigkeit des Schutzes von bedrohten Pflanzenarten hingewiesen werden. Dies kann in der Regel nur durch Erhaltung ihrer typischen Lebensräume gelingen, was auch der Lehrgarten verdeutlichen soll.
Für das Jahr 2023 ist die Kleine Braunelle als Blume des Jahres ausgewählt worden. Sie wird auch als Gewöhnliche Braunelle bezeichnet, ihre botanische Bezeichnung ist Prunella vulgaris. Im Lehrgarten haben wir die niedrigwüchsige Art auf dem Beet „Fettweiden und Intensivgrünland“ angesiedelt, denn sie ist an eine häufige Nutzung, z. B. durch Beweidung angepasst und verträgt auch eine gewisse Trittbelastung. Deshalb kommt sie auch auf den Rasenflächen rund um die Beete vor. Die Blätter und Ausläufer sind dicht an den Boden angedrückt, die hübschen blauvioletten Blütenstände mit ihren ca. 1 cm langen Einzelblüten erscheinen von Juni bis Oktober. Als lichtbedürftiges Pflänzchen wächst die Kleine Braunelle auch in anderen, eher lückigen, nicht allzu dicht bewachsenen Lebensräumen wie z. B. wenig gedüngten, kräuterreichen Grünlandbeständen oder an Wegrändern im Wald. Liegengelassenes Schnittgut und starke Düngung führt zum Verschwinden der Art.
Die Gewöhnliche Braunelle ist in Hessen verbreitet und ungefährdet. Aber gleichzeitig ist in vielen Regionen Deutschlands auch ein schleichender Rückgang vieler eigentlich häufiger Wiesenpflanzen durch Verlust ihrer Lebensräume zu beobachten, worauf die Loki-Schmidt-Stiftung mit der Blume des Jahres 2023 aufmerksam machen will.
Wie viele andere Arten aus der Familie der Lippenblütler ist die Kleine Braunelle eine wichtige Nahrungsquelle für Insekten, einschließlich ihrer Raupenstadien. Aufgrund der enthaltenen ätherischen Öle und Gerbstoffe wurde und wird die Pflanze als Heilpflanze genutzt. Blüten und Blätter sind essbar.
In Hessen gibt es noch zwei weitere verwandte Arten aus der Gattung Prunella, die aber seltener zu finden sind: Prunella grandiflora, die Große Brunelle mit doppelt so großen Blüten, die hauptsächlich auf den Kalk-Halbtrockenrasen Nord- und Osthessens sowie auf Magerrasen und trockenen Wiesen am Rande der Wetterau vorkommt und auf der Vorwarnliste (V) zur Roten Liste der Farn- und Samenpflanzen Hessens (HLNUG, Hrsg., 2019) steht. Außerhalb der Region Nordost (V) ist die Große Brunelle gefährdet oder stark gefährdet. Die Weiße Braunelle, Prunella laciniata, ist noch viel seltener und in Hessen vom Aussterben bedroht.
Im Sommer 2023 wird zu einer öffentlichen Führung im Lehrgarten mit Schwerpunkt „Kleine Brunelle – Blume des Jahres“ und weiteren kleinen, eher unscheinbaren Wiesenkräutern eingeladen.
Blume des Jahres 2021 war der in Hessen noch verbreitet vorkommende Große Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis). Die Art mit den auffälligen dunkelroten Blütenköpfen aus der Familie der Rosengewächse kann man auf wechselfeuchten bis nassen Wiesen, Weiden und Brachen sowie an Weg- und Grabenrändern finden. Sie ist bevorzugte Nektarpflanze für die Falter und einzige Futterpflanze für die Raupen der Tagfalterart Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Im August 2021 hat eine öffentliche Führung im Lehrgarten zum Thema "Großer Wiesenknopf" und den Lebensräumen und Biotopen, in denen er vorkommt, stattgefunden. Dabei konnten die Besucher/innen z. B. auch die Unterschiede zum Kleinen Wiesenknopf (Sanguisorba minor) entdecken, der "Pimpinelle" der hessischen Grünen Soße auf dem Beet mit den Arten der Kalk-Halbtrockenrasen.
Die Blume des Jahres 2022, der Einbeere (Paris quadrifolia), auf dem Buchenwaldbeet in unserem Lehrgarten ist leider von anderen Waldpflanzen wieder verdrängt worden.