FAQs zum Grundwasser
Was genau ist eigentlich Grundwasser, welche Rolle spielt diese wertvolle Ressource in Hessen und was hat der menschengemachte Klimawandel mit all dem zu tun?
Diese Fragen und viele mehr erreichen das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) jeden Tag. Um dem gestiegenen Interesse nicht nur seitens der Bürger und Bürgerinnen, sondern auch seitens der Presse, am Grundwasser nachzukommen, hat der Landesgrundwasserdienst am HLNUG die häufigsten Fragen im Folgenden beantwortet.
Aktuelle Informationen zum mengenmäßigen Zustand des Grundwassers in Hessen sind sowohl im monatlichen Grundwasserbericht als auch im Messdatenportal zu finden.
Allgemein
Grundwasser ist Teil des Wasserkreislaufs. Grundwasser entsteht vor allem aus Niederschlagswasser, das in den Boden versickert und aus Wasser, das aus oberirdischen Gewässern (Bächen, Flüssen, Seen) in den Untergrund gelangt. Angetrieben von der Schwerkraft bewegt sich das Wasser nach unten bis es auf eine wasserundurchlässige Gesteinsschicht trifft und sich dort ansammeln kann. Den Vorgang, bei dem Wasser in den Boden eindringt und zu Grundwasser wird, nennt man Grundwasserneubildung.
Das hydrologische Jahr, auch Abflussjahr genannt, weicht vom Kalenderjahr ab. Nach der DIN 4049-1 beginnt es am 1. November und endet am 31. Oktober des Folgejahres. Diese Einteilung wurde gewählt, weil Ende Oktober in der Regel die Wasserreserven (im Boden, im Grundwasser, in Gletschern, Flüssen und Seen) in Deutschland am geringsten sind. Im November beginnt dagegen die Auffüllung der Wasserspeicher. Das hydrologische Jahr wird unterteilt in das Winterhalbjahr (November bis April) und das Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober). Durch die Verschiebung zum Kalenderjahr werden dadurch auch die Niederschläge erfasst, die als Schnee und Eis im Einzugsgebiet gespeichert werden und erst im Frühjahr als Schmelzwasser abflusswirksam sind. Würde man sich zur Aufstellung einer wasserhaushaltlichen Jahresbilanz auf das Kalenderjahr beziehen, bliebe das im Schnee und Eis gespeicherten Wasservolumen unberücksichtigt. Bezeichnet wird das hydrologische Jahr durch das Kalenderjahr, in dem die Abflussjahresmonate Januar bis Oktober vorkommen. So beginnt das hydrologische Jahr 2019 am 1. November 2018.
Die Regeneration des Grundwassers findet üblicherweise im hydrologischen Winterhalbjahr (November bis April) statt, wenn die Vegetation ruht und die Verdunstung wegen der geringen Temperaturen gering ausfällt. In dieser Zeit kann das Niederschlagswasser versickern und durch die einsetzende Grundwasserneubildung steigen die Grundwasserstände, sofern ausreichend Niederschlag fällt. Im hydrologischen Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober) kommt vom Niederschlagswasser kaum etwas im Grundwasser an, da das Wasser wegen der hohen Temperaturen verdunstet und von der Vegetation verbraucht wird. Daher fallen Grundwasserstände in der Regel im hydrologischen Sommerhalbjahr. Hieraus ergibt sich der charakteristische Jahresgang im Grundwasser, mit steigenden Grundwasserständen im Winterhalbjahr und fallenden Grundwasserständen im Sommerhalbjahr. Für das Grundwasser ist es besonders ungünstig, wenn das Winterhalbjahr trocken ausfällt. Ein trockener Winter ist für das Grundwasser viel schlimmer als ein trockener Sommer.
Es kann lange dauern, bis Niederschlagswasser im Grundwasser ankommt. Einzelne Niederschlagsereignisse zeigen beim Grundwasser oft keine unmittelbare Wirkung. Grundwasser reagiert auf Niederschlagsschwankungen meist deutlich träger als die Fließgewässer. Die Spannweite der Reaktionszeit ist jedoch sehr groß und hängt von der Tiefe des Grundwassers und der Ausprägung der Grundwasserüberdeckung und des Grundwasserleiters ab. Die Bandbreite reicht von Tagen und Wochen bei oberflächennahen oder sehr gut durchlässigen Grundwasserleitern bis hin zu Monaten und Jahren bei tiefen oder gering durchlässigen Grundwasserleitern.
Der Grundwasserstand gibt die Höhe des Grundwasserspiegels über oder unter einer waagerechten Bezugsebene an, in der Regel über Normalhöhennull oder unter Geländeoberkante. Umgangssprachlich werden die Begriffe Grundwasserstand und Grundwasserspiegel häufig synonym verwendet. Wird der Grundwasserstand an einer Messstelle über einen längeren Zeitraum gemessen, kann das Ergebnis grafisch in Form einer Grundwasserstandsganglinie dargestellt werden. In Karten lässt sich der Grundwasserstand als Punktinformation oder in Form von Grundwasserhöhengleichen (auch Grundwasserisohypsen) darstellen. Die zeitliche Beobachtung der Grundwasserstände ist wichtig, um problematische Veränderungen rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen einleiten zu können, um negative Auswirkungen auf die Ressource Grundwasser bzw. durch das Grundwasser zu verhindern.
Der Grundwasserstand kann in Brunnen gemessen werden, im Idealfall wird er aber in einer Grundwassermessstelle ermittelt. Herkömmlich wird der Grundwasserstand manuell mittels eines Lichtlots festgestellt. Heutzutage werden aber an vielen Orten automatische Messstationen eingesetzt, in denen der Grundwasserstand kontinuierlich mittels eines Drucksensors gemessen und auf einem Datenlogger gespeichert wird, der in regelmäßigen Abständen ausgelesen wird. Häufig besteht die Möglichkeit einer Datenfernübertragung und die Daten werden über das Mobilfunknetz an die dafür zuständige Behörde übermittelt und können in Echtzeit dargestellt werden.
Klimatisch- und witterungsbedingte Änderungen in der Grundwasserneubildung führen zu Schwankungen in den Grundwasserständen und Quellschüttungen, die die Vorratsänderung im Grundwasserleiter sichtbar ausdrücken. Die Grundwasserstände sind in der Regel mit steigenden Wasserständen im Winterhalbjahr und sinkenden im Sommer und Herbst jahreszeitlich geprägt. Hierbei handelt es sich um saisonale Schwankungen, die man bei normalen klimatischen Verhältnissen beobachten kann. Aufgrund der natürlichen Klimavariabilität unterliegen die Temperatur und der Niederschlag sehr großen Schwankungen, so dass es immer wieder zu Abweichungen und Anomalien gegenüber den mittleren Verhältnissen kommen kann. Die saisonalen Schwankungen (Jahresgang) können zusätzlich von Trocken- und Nassperioden (periodischen Schwankungen) überlagert werden.
Der Schwankungsbereich (Amplitude) im Grundwasser fällt je nach Standort sehr unterschiedlich aus. Daher lassen sich hier keine pauschalen Angaben machen. Besonders im Mittelgebirge (Festgesteinsregionen) können die Amplituden auch kleinräumig sehr stark voneinander abweichen. Je nach Tiefe des Grundwasserspiegels, der Durchlässigkeit der Gesteinsschichten und der Speicherfähigkeit des Standortes kann der Schwankungsbereich über das Jahr betrachtet wenige Dezimeter bis zu mehreren Metern betragen.
Landesgrundwasserdienst
Die vom HLNUG beobachteten Grundwassermessstellen befinden sich i.d.R. außerhalb von Grundwassergewinnungsgebieten. Zielsetzung des Monitorings ist die Darstellung der natürlichen, nicht durch Grundwasserentnahmen beeinflussten Verhältnisse des obersten relevanten Grundwasserleiters.
Die Klassifizierung „sehr niedrige Grundwasserstände“ stellt eine rein statistische Bewertung dar. Sehr niedrige Grundwasserstände sind nicht mit einem „Wassernotstand“ gleichzusetzen oder an bestimmte Auswirkungen und Maßnahmen gekoppelt. An Messstellen des Landesgrundwasserdienstes gemessene sehr niedrige Grundwasserstände lassen nicht auf Engpässe in der Trinkwasserversorgung schließen. Die auf vereinzelte Mittelgebirgsregionen begrenzten lokalen Versorgungsengpässe, die sich in den Sommermonaten der letzten Jahre ergeben haben, waren aus Sicht des HLNUG in erster Linie auf den extrem angestiegenen Spitzenwasserbedarf und die nicht darauf ausgelegte lokale Wasserversorgungsinfrastruktur (Speicher-, Hochbehälter- und Leitungskapazitäten, Pumpleistungen, fehlender Anschluss an einen Leitungsverbund) zurückzuführen.
Der Landesgrundwasserdienst verfügt weder über tagesaktuelle Entnahmemengen der Trinkwassergewinnungsanlagen noch über Informationen zur lokalen Versorgungsinfrastruktur in den hessischen Kommunen. Die öffentliche Wasserversorgung obliegt den Kommunen als Trägern der Daseinsvorsorge im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Für eine Einschätzung der Situation der Trinkwasserversorgung sind die Regierungspräsidien und die kommunalen Wasserversorger geeignete Ansprechpartner.
Im Messdatenportal sind tagesaktuelle Messwerte für ausgewählte Grundwassermessstellen mit Datenfernübertragung abrufbar. Auf dieser begrenzten Datengrundlage lässt sich die landesweite Entwicklung im Überblick beschreiben. Für kleinräumige Fragestellungen ist die Messnetzdichte des Messdatenportals meist zu gering. Denn die Punktinformationen lassen sich nicht einfach in die Fläche übertragen oder interpolieren. Dies gilt insbesondere für die Mittelgebirgsregionen, in denen Kluftgrundwasserleiter anzutreffen sind. In Kluftgrundwasserleitern kann sich die Grundwasserssituation kleinräumig sehr unterschiedlich darstellen. So können die Grundwasserstände von unmittelbar benachbarten Messstellen sehr unterschiedlich sein. Das liegt an der hohen räumlichen Variabilität der Standorteigenschaften, z. B. neben der Niederschlagsmenge auch Durchlässigkeit, Speichervermögen, Tiefe und Mächtigkeit des Grundwasserleiters und die daraus resultierende unterschiedliche Dynamik an den Messstellen.
Daher muss bei der Betrachtung einer einzelnen Grundwassermessstelle, vor allem in den Mittelgebirgsregionen, dem Rechnung getragen werden, dass sie nicht repräsentativ für die gesamte Region sein muss. Deshalb betrachtet man i.d.R. mehrere Messstellen in einer Region. Das sich daraus ergebende Gesamtbild ist dann aussagekräftiger.
In einem homogenen Porengrundwasserleiter, in dem eine zusammenhängende Grundwasseroberfläche im Porenraum ausgebildet ist, sieht das anders aus. Hier stellt sich die Grundwassersituation großräumig einheitlicher dar. Ein Beispiel hierfür ist der mächtige Porengrundwasserleiter des Hessischen Rieds. Hier kann von einer Messstelle Rückschlüsse auf die nähere Umgebung gezogen werden
Grundwasser in Hessen
In Hessen wird das Trinkwasser nahezu vollständig aus dem Grundwasser gewonnen. Aber nicht nur für den Menschen ist Grundwasser lebensnotwendig. Für viele Lebensräume und -arten ist es als Wasser- und Lebensspender essentiell. Oberflächennahe Grundwasservorkommen versorgen Pflanzen mit Wasser und bilden wertvolle Feuchtbiotope. Grundwasser tritt an Quellen zu Tage und speist Bäche und Flüsse. Gerade in regenarmen Zeiten des Jahres und in länger andauernden Trockenperioden stammt ein großer Teil des Wassers in unseren Flüssen aus dem Grundwasser.
Hessen ist aufgrund seiner klimatischen Lage keine wasserarme Region. Die langjährige mittlere Grundwasserneubildung in Hessen beträgt für die Referenzperiode 1971–2000 rund 100 mm/a. Umgerechnet auf die Fläche Hessens werden somit im langjährigen Mittel jährlich rund 2,13 Mrd. m³ Grundwasser neu gebildet. Demgegenüber werden jährlich rund 407 Mio. m³ Grundwasser entnommen. Der Vergleich zeigt, dass hessenweit jährlich rund fünfmal mehr Grundwasser neu gebildet, als gefördert wird. In Südhessen kann das Grundwasserdargebot lokal durch die Infiltration von aufbereitetem Rheinwasser erhöht werden. Diese künstliche Grundwasseranreicherung trägt zur Stabilisierung der Grundwasserstände, insbesondere in Trockenperioden, bei.
Die Grundwasserneubildung ist durch eine ausgeprägte jährliche und periodische Variabilität gekennzeichnet. Daher kann es auch in Hessen während länger andauernder Trockenperioden zu örtlich und zeitlich begrenzter Wasserknappheit kommen.
Wasserknappheit kann nicht nur eintreten, wenn sich das Grundwasserdargebot verringert, sondern auch, wenn der Wasserbedarf ansteigt. Übersteigt der Wasserbedarf das verfügbare Grundwasserdargebot herrscht Wasserknappheit.
Regionen mit geringem lokalen Dargebot und hohem Wasserbedarf können aber in Hessen in der Regel durch den überregionalen Leitungsverbund oder lokale Leitungsnetze mit Fremdwasser aus Regionen mit ausreichend verfügbaren Wasserressourcen versorgt werden.
Lokale Versorgungsengpässe können sich insbesondere in Zeiten mit hohen Spitzenbedarfen ergeben, wenn die Wasserversorgungsinfrastruktur (Speicher-, Hochbehälter- und Leitungskapazitäten, Pumpleistungen, fehlender Anschluss an einen Leitungsverbund) nicht auf solche Bedarfsspitzen ausgelegt ist. Es kann also auch zu Versorgungsengpässen kommen, selbst wenn genügend Grundwasser verfügbar ist.
In Zeiten niedriger Grundwasserstände konnten in Hessen in der Vergangenheit unterschiedliche Auswirkungen beobachtet werden. So können niedrige Grundwasserstände zu lokalen Engpässen in der Wasserversorgung führen und grundwasserabhängige Biotope und Feuchtgebiete schädigen. Bei sehr niedrigen Grundwasserständen können Setzrissschäden an Gebäuden und Verkehrsinfrastruktur eintreten und in der Landwirtschaft können flache Beregnungsbrunnen trockenfallen. Darüber hinaus führen Fließgewässer, die aus dem Grundwasser gespeist werden, früher Niedrigwasser, was wiederum Auswirkungen auf die Gewässerökologie haben kann. Kleinere Gewässer können im Spätsommer sogar ganz trockenfallen. Im wasserwirtschaftlich bedeutsamen Hessischen Ried, wo eine intensive Grundwasserbewirtschaftung stattfindet, kam es in der Vergangenheit immer wieder zu grundwasserverbundenen Nutzungskonflikten zwischen der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, dem Naturschutz, dem Siedlungswesen und der Wasserversorgung.
Trockenperioden mit niedrigen Grundwasserständen hat es immer wieder gegeben. Ausgeprägte Trockenperioden treten zyklisch etwa alle 10-20 Jahre auf, beispielsweise in den 70er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts.
Hohe Grundwasserstände können nach starken und langanhaltenden Niederschlagsereignissen und im Zusammenhang mit Hochwasserereignissen auftreten. Insbesondere kommen sie in Niederungsgebieten mit oberflächennahen Grundwasserleitern vor. Dabei ist zu beachten, dass durch die langsamere Reaktionszeit des Grundwassers im Vergleich zum Oberflächenwasser, hohe Grundwasserstände zum einen meist zeitverzögert auftreten und zum anderen auch länger anhaltend sind als Hochwasserereignisse.
Dabei können unterschiedliche Auswirkungen beobachtet werden. So können hohe Grundwasserstände in Siedlungsgebieten Schäden an Bauwerken, z.B. durch Kellervernässungen verursachen. Verkehrsinfrastruktur, wie z.B. Straßen oder Tunnel, können überflutet und dadurch nicht nutzbar oder dauerhaft beschädigt werden. Ebenso können hohe Grundwasserstände dazu führen, dass landwirtschaftliche Nutzflächen zeitweise nicht befahrbar sind oder für die Nutzung unbrauchbar werden.
Während in Hessen bis Ende des Jahrhunderts mit einem weiteren deutlichen Temperaturanstieg zu rechnen ist, wird sich die Summe des mittleren Jahresniederschlags wahrscheinlich kaum ändern. Die Klimaprojektionen zeigen aber, dass sich der Jahresgang des Niederschlags verschieben wird. So ist in Zukunft mit einer Zunahme der Winterniederschläge, einem Rückgang der Sommerniederschläge und längeren Trockenperioden im Sommer zu rechnen. Höhere Temperaturen und eine damit verbundene höhere Verdunstung und längere Vegetationsperiode wirken in Richtung abnehmender Grundwasserneubildung. Eine Abnahme der Sommerniederschläge hätte zur Folge, dass die Quellschüttungen in den Mittelgebirgsregionen in den Sommermonaten zurückgehen. Da die Grundwasserneubildung überwiegend im Winterhalbjahr stattfindet, würde sich eine Zunahme der Winterniederschläge positiv auf die Grundwasserneubildung auswirken. Aufgrund dieser gegenläufigen Entwicklungen ist eine eindeutige Richtungsaussage für die Zukunft bislang nicht möglich. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass bei feuchteren Wintern und trockeneren Sommern die Grundwasserneubildung und die Grundwasserstände gegenüber heute größeren saisonalen Schwankungen unterliegen werden.
Seit dem Jahr 2003 sind die Niederschläge des hydrologischen Winterhalbjahres und folglich auch die Grundwasserneubildung meist unterdurchschnittlich ausgefallen, was im Widerspruch zu den projizierten Klimatrends steht. Es bleibt abzuwarten, ob sich der seit dem Jahr 2003 zu beobachtende Trend in Zukunft fortsetzt.
Infolge der wärmeren und trockeneren Sommer ist zukünftig mit rückläufigen Quellschüttungen zu rechnen. Dies könnte zur Folge haben, dass die auf örtlichen Gewinnungsanlagen beruhende, dezentrale Trinkwasserversorgung durch Quellwässer oder Flachbrunnen in den Mittelgebirgen während der Sommermonate zunehmend gefährdet ist.
Für die Trinkwasserversorgung ist neben dem zukünftigen Wasserdargebot die Entwicklung des zukünftigen Wasserbedarfs von Bedeutung. Infolge der zukünftig wärmeren und trockeneren Sommer ist mit einem weiteren Anstieg des Spitzenwasserbedarfs zu rechnen.
Die maßgeblichen Einflussgrößen für den mittleren Wasserbedarf (Grundlast) sind die demographische Entwicklung und die Entwicklung des Pro-Kopf-Verbrauchs. Der Pro-Kopf-Verbrauch wird wiederum durch das Verbraucherverhalten und den technologischen Fortschritt bestimmt. Das heißt, dass der jährliche bzw. mittlere Wasserbedarf stärker von der Bevölkerungsentwicklung und dem Pro-Kopf-Verbrauch als vom Klimawandel beeinflusst wird.
Aktuell beobachten wir ein starkes Bevölkerungswachstum in den Kernräumen der Rhein-Main-Region. Sollte dieser Trend andauern, ist von einer Zunahme des mittleren Wasserbedarfs auszugehen. Auch ist davon auszugehen, dass der Bedarf an Beregnungswasser in der Landwirtschaft infolge trockenerer und wärmerer Sommer sowie verlängerter Vegetationsperioden weiter deutlich zunehmen wird. Der erhebliche Mehrbedarf an Beregnungswasser kann eine direkte Konkurrenzsituation zwischen der Trinkwasserversorgung einerseits und landwirtschaftlicher Beregnung andererseits bewirken.
Maßnahmen
Eine sehr effektive und sofort umsetzbare Maßnahme ist ein bewusster und sorgsamer Umgang mit der kostbaren und lebenswichtigen Ressource Wasser. Jeder einzelne Bürger und jede einzelne Bürgerin kann zum Wassersparen beitragen, insbesondere bei langanhaltender Trockenheit. Durch Gartenbewässerung, Rasensprengen und das Befüllen von Pools wird viel Trinkwasser verbraucht, das in Zeiten saisonaler Wasserknappheit eingespart werden sollte.
Auch durch die Einführung von Brauchwassersystemen kann im großen Umfang Trinkwasser eingespart werden. Hierbei wird Trinkwasser mehrfach genutzt. So wird beispielsweise das aufbereitete Duschwasser oder Wasser fürs Händewaschen noch mal für die Toilettenspülung oder die Gartenbewässerung verwendet.
Hessen verfügt über Steuerungsinstrumente, um bei anhaltender Trockenheit Grundwasserstände zu stabilisieren. So lassen sich im Hessischen Ried witterungsbedingte Schwankungen der Grundwasserstände durch künstliche Grundwasseranreicherung ausgleichen. Hierzu wird Wasser aus dem Rhein entnommen, aufbereitet und im Nahbereich der Trinkwasserbrunnen infiltriert. Dieses Steuerungsinstrument trägt maßgeblich zur Versorgungssicherheit der Rhein-Main Metropolregion bei.
Neben der Infiltration trägt auch der überörtliche Leitungsverbund zur Stabilisierung der Grundwasserstände bei. Durch eine grundwasserstandsorientierte Fördermengenverlagerung zwischen infiltrationsgestützten und nicht infiltrationsgestützten Verbundwasserwerken ist es möglich, Wasser aus Gebieten mit einem Wasserüberschuss in Gebiete mit einem lokalen Defizit zu transportieren. Durch die Fördermengenreduktion in Gebieten mit einem lokalen Defizit wird so verhindert, dass die Grundwasserstände weiter absinken.
Zudem lässt sich in der Landwirtschaft zum Beispiel durch die Optimierung der Beregnungssteuerung und Beregnungstechnik und den Anbau trockenresistenter Kulturen Wasser einsparen.
Im Zukunftsplan Wasser des Landes Hessen sind Anforderungen und Maßgaben formuliert, welche den vorsorgenden Schutz der Wasserressourcen, die langfristige Sicherung der Wasserversorgung sowie eine effiziente Wassernutzung zum Ziel haben. Zu den Maßnahmen zählen unter anderem:
- Förderung der Grundwasserneubildung durch Retention und Versickerung
- Förderung der Ressourcenschonung durch Speicherung und Nutzung von Niederschlagswasser
- Förderung der Stadtökologie durch den Ausbau von blauer und grüner Infrastruktur
- Förderung der Gewässer- und Auenrenaturierung, Renaturierung von Mooren
- Optimierung vorhandener und Prüfung zusätzlicher künstlicher Grundwasseranreicherungen (Dargebotserhöhung durch Infiltration)
- Ausbau und Ergänzung der Wassergewinnungssysteme und regionaler Verbundsysteme zur Sicherstellung der Wasserversorgung in Trockenperioden
- Mobilisierung von Einspar- und Substitutionspotenzialen von Trinkwasser
- Schutz des Grundwassers vor Schadstoffeinträgen